Nachdem wir die Tankstelle besucht hatten, fuhren wir weiter
in eine Polizeistation für Frauen, in der ein Counseling – Center unser
Organisation Bhumika ihren Sitz hat. In dieses Center wurden wir eingeladen.
Die Leiterin des Centers erzählte uns von ihren Aufgaben. In das Center kommen
oft Frauen, die eine unglückliche Ehe führen, weil sie von ihren Männern
geschlagen, betrogen oder ausgenutzt werden. Diese Fälle werden dokumentiert
und die Frauen bekommen einen Termin, an dem sie, gemeinsam mit ihrem Ehemann,
kommen können und dann gemeinsam nach einer Lösung gesucht wird. Während uns
die Leiterin über ihre Arbeit berichtet, laufen in dem Center Frauen, Paare,
Kinder, alte und junge Leute herum. Für die Kinder gibt es einen kleinen
Spielplatz, auf dem sie Schaukeln, Rutschen und sich ein bisschen von dem
ganzen Tumult um sich herum ablenken können. Die Leiterin hat in ihrem Raum
zwei riesige Bildschirme, durch die sie die vielen Bewachungskameras auf dem
Gelände überblicken kann. Vor ihr auf dem Schreibtisch liegen viele Mappen mit
Unterlagen, Photos und Berichten über die einzelnen Fälle. Während wir im Raum
sitzen, sind auch eine Frau und zwei Männer anwesend. Die Frau will einen Fall
einreichen, hat aber ihre Unterlagen nicht dabei und wird daher gebeten, am
nächsten Tag mit Unterlagen wieder zu kommen.
Nachdem wir das Gespräch mit der Leiterin beendet haben,
führt uns unsere Mentorin Pravalika, die eigentlich in diesem Center arbeitet,
ein bisschen herum. Sie unterhält sich mit ihren Kollegen und wir schauen uns
ein bisschen im Raum um. Dort befinden sich zwei mit Gitterstäben versehene
Zellen, in denen sich aber keine Menschen, sondern zum einen Bürostühle, zum
anderen Mappen über Mappen, in denen sich hunderte von Unterlagen über
misshandelte Frauen finden müssen. Kurz muss ich schlucken, dann kommt mir aber
dieser Gedanke, dass das Akten von Frauen sind, denen geholfen wurde. Akten von
Frauen, die den wichtigen Schritt gewagt haben, sich zu trauen etwas zu sagen
und gegen die Ungerechtigkeit, die ihnen von ihren Männern entgegengeschleudert
wird, aufzustehen.
Nachdem wir unsere kleine Führung beendet haben, setzen wir
uns in einem Zimmer mit unserer Mentorin und einer Mitarbeiterin zum
Mittagessen zusammen. Vor dem Essen zeigt uns Pravalika eine Fallakte und
erklärt uns, was sie tun, um Paare wieder miteinander zu versöhnen. Bei jedem
Paar lassen sie von beiden Partnern einen Vertrag verfassen, mit Forderungen
und Versprechungen, die für ein friedliches und harmonisches Zusammenleben
garantieren sollen. Diese Verträge müssen dann von beiden Partnern
unterzeichnet werden. Auf unsere Frage, ob es denn klappt, meint Pravalika,
dass meistens nicht alle Punkte erfüllt werden, es aber der Anfang einer
Versöhnung sein kann. Während des Essens durchquert eine junge Frau den Raum,
um in einen anschließenden Raum zu kommen. Sie weint und es ist offensichtlich,
dass sie dringend die Hilfe braucht, die ihr hier geboten wird. Kurze Zeit
später kommt ihr Ehemann mit einer Plastiktüte an. Auf unsere verwirrten Blicke
erklärt Pravalika uns, dass sie den Mann losgeschickt haben, um Essen und
Trinken für seine Frau zu kaufen. Ohne Widerworte übergibt er das Essen,
lungert aber die ganze Zeit vor dem Fenster des Raumes herum und versucht,
seine Frau zu Gesicht bekommen. Nachdem die Frau selbst etwas gegessen und ihr
Baby mit einer Banane gefüttert hat, fragt uns Pravalika, ob wir während des
Beratungsgespräch dabeibleiben wollen. Auf unsere Frage, ob das okay ist,
antwortet sie, dass wir es sowieso nicht verstehen werden, da es auf Telugu
geführt werden wird. Als die Beratung anfängt, merkt man, dass das junge Paar
nicht miteinander kooperieren will. Obwohl wir die Sprache nicht verstehen,
bemerken wir die Aggressivität beider und die verzweifelten Versuche, jeweils
das Verständnis der Beraterinnen zu erlangen. Die Stimmung ist angespannt und
ich versuche, das Baby des Paares mit dummen Gesichtern vom Streit seiner Eltern
abzulenken. Während die Beratung läuft, hört man im Nachbarzimmer einen anderen
Streit und vor dem Fenster ist auch stets eine angespannte Stimmung, die die
Polizistinnen, die in der Station arbeiten, öfter mal deeskalieren lassen
müssen. Nachdem die Beratung beendet ist, erklärt unsere Mentorin uns grob,
worum es ging und wir merken, dass das nicht das letzte Beratungsgespräch sein
wird. Wir bekommen noch einen Chai-Tee gereicht und müssen uns dann beeilen, zu
unserem Taxi zu kommen, damit wir zurück in unser Apartment fahren können.
Auf der Rückfahrt schweigen wir zunächst, da wir das gerade
erlebte verarbeiten müssen. Diese Erfahrung war für uns beide sowohl
beeindruckend als auch erschreckend, da wir gesehen haben, wie intensiv ein
solches Gespräch sein kann.
Ich bewundere die Berater in den Centern! Einen solchen Beruf
könnte ich nicht Tag für Tag ausführen, ohne anzufangen, darunter zu leiden.
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