Sonntag, 20. August 2017

Was Benzin mit einem Gefängnis zu tun hat - Teil 1

Es roch nach Benzin, ein leichter Regenschauer kühlte die Luft ab und wir warteten. Auf wen genau, das war uns am Anfang noch nicht so ganz klar. Alles was wir wussten war, dass wir uns an einer nicht ganz so normalen Tankstelle befanden. Nach der sonst so üblichen Dominanz des männlichen Geschlechts suchte man vergebens. Zumindestens unter den Angestellten. Es waren allein Frauen, die die anbrausenden Motorräder und Autos mit Benzin befüllten und danach abkassierten. Und jede Einzelne von ihnen schien es zu genießen, hier zu arbeiten. Verständlich wird dies, wenn man erfährt, dass es sich bei allen Angestellten um ehemalig Langzeit-Inhaftierte handelt.

Das Gefängnis in Hyderabad reagierte mit dieser Tankstelle auf ein gesellschaftliches Problem. Inhaftierte Frauen werden hierzulande oft von ihrer Familie verstoßen und verlieren ihr gesellschaftliches Ansehen. Und wenn ich bis jetzt in Indien etwas gelernt habe, dann dass die Familie an allererster Stelle steht und es kein schlimmeres Urteil für Frauen geben kann, als von dieser verstoßen zu werden. Zusätzlich ist es auch sehr schwer für diese Frauen, auf eigenen Beinen zu stehen und einen ehrenhaften Beruf zu finden, um ihren Lebensunterhalt selbst zu finanzieren. Diese Tankstelle bietet den Frauen einen Neustart. Die Bezahlung ist - laut Angaben der Chefin – doppelt so hoch, wie im landesweiten Durchschnitt für den gleichen Job. Außerdem sprechen Berater des Gefängnisses (auch in Zusammenarbeit mit unserer NGO Bhumika) mit den Familien und versuchen, sie für die Situation der Frauen zu sensibilisieren. Oft können zumindest die Kinder davon überzeugt werden, dass ihre Mütter keine Monster sind. Aber natürlich ist hier jeder Fall genauso unterschiedlich, wie die angestellten Frauen.

Im Gespräch mit den Frauen fiel mir auf, dass ich für die begangenen Taten sehr viel Verständnis aufbringen konnte. Wenn ich mich in Deutschland mit einer verurteilten Mörderin unterhalten hätte, wäre das wahrscheinlich anders ausgegangen. Aber wenn mir eine Frau anvertraut, dass sie ihre Schwiegermutter oder ihren Ehemann aus Verzweiflung umgebracht hat, um sich selbst vor häuslicher Gewalt und Missbrauch zu schützen, dann ist es mir nicht möglich, diese Frau für ihre Tat zu verurteilen. Dann bin ich eher froh, dass ihr hier eine Chance auf Resozialisierung geboten wird.


Auf wen genau wir jetzt die ganze Zeit an der Tankstelle gewartet haben, dass erfahrt ihr im nächsten Blog-Eintrag.

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